Zgryźliwość kojarzy mi się z radością, która źle skończyła.
LEIPZIGER ALLGEMEINE ZEITUNG
LEIPZIG 1842
[1473]
Nr. 126. 6. Mai 1842.
Preußen.
° Berlin, 3. Mai. Ein bekanntes neueres Ereigniß, der Beschluß der evangelisch-theologischen Facultät zu Bonn gegen den Licentiaten Bruno Bauer, ist schon vielfach von Organen der Oeffentlichkeit zum Gegenstande der Besprechung gewählt worden, und regt bei seiner weitgreifenden Bedeutung eine Menge von Fragen auf, die nach einem langjährigen Schlafe sich endlich die Augen reiben und noch etwas sinnbetäubt den hellen Morgen eines zukunftreichen Tages begrüßen. So erscheint in diesem Augenblick ein “Theologisches Votum über die Anstellung der Theologen an den deutschen Universitäten”, dem, wie zu vermuthen steht, manches andere nachfolgen und der Sache und ihrem eigentlichen Wesen eine immer vortheilhaftere Beleuchtung geben wird. Ob sie aber auch selbst dann, wenn man für den rechten Augenpunkt das beste Licht gefunden haben wird, eine allgemeine Würdigung ihres Werthes zu hoffen hat, ist darum sehr zu bezweifeln, weil auch zur richtigen Beurtheilung eines Gemäldes mehr als gutes Licht, nämlich ein gesunder Geschmack gehört. Was das obige Votum betrifft, so ist es zuvörderst sehr erfreulich, daß dasselbe unter berliner Censur erschien, weil dadurch ein Zeugniß abgelegt wird, wie wir uns einer beherztern Freimüthigkeit anzunähern suchen; es ist in der That aber auch in sich selbst bedeutend und gehaltvoll. Zwei Dinge liegen dem Verfasser desselben besonders am Herzen, obgleich er am Schlusse sich der resignirten Hoffnungslosigkeit eines durch Vereitelungen gewitzigten Mannes hingibt, indem er sagt: “Wir haben gesprochen; was der Erfolg dieser Worte sein werde, läßt sich voraussehen. Das Eine, was wir zuerst besprachen, wird nicht geschehen, so klar auch das Unnatürliche und Widerrechtliche des jetzigen Zustandes vor Augen liegt; das Andere dagegen würde unterbleiben, auch ohne dass wir es bekämpften.” Unter Jenem versteht er seinen ersten Vorschlag, “die Interessen der Kirche und der Wissenschaft, wie sie sich innerlich geschieden haben, so nun auch äußerlich zu trennen, und einerseits den Universitäten ihre Bedeutung, Sitze der freien Wissenschaft zu sein, ungeschmälert zu lassen, andererseits aber der Kirche ihre eignen Institute zu geben, in denen ihre Diener herangebildet werden.” Dieses Auskunftsmittel, das der Verfasser dem Staate zu dem Zweck empfiehlt, sowol der Wissenschaft als der Kirche gerecht zu werden, begründet er auf die schlagendste Weise, wobei er freilich immer von der Voraussetzung ausgeht, daß die Kirche auf die Fürsorge des Staats einen so vollgültigen Anspruch habe, als ihn die Wissenschaft hat, und nicht selbst sich überlassen werden müsse, wie sie z. B. in Nordamerika dem Privatbedürfniß anheimgegeben wird, oder wie ja zum großen Theil unter uns das religiöse Bedürfniß der Juden keine besondere Pflege von Seiten des Staats genießt. Diese Frage, ob dem Staate wirklich etwas darauf ankomme, daß seine Angehörigen einem bestimmten Lehrbegriffe, dem protestantischen oder katholischen, zugethan seien, ob er also für die Aufrechthaltung dieses Lehrbegriffes seinen Beistand und Schutz gewähren müsse, hat der Verfaser unerörtert gelassen, und seine Meinung darüber nur etwa in folgenden Worten durchschimmern lassen: “Erst wenn die moderne Richtung die Herrschaft errungen und anerkanntermaßen den Sieg davon getragen hätte, wenn sich die Kirche der Wissenschaft gegenüber nicht mehr halten könnte, dann erst ließe sich daran denken, die Wissenschaft unmittelbar auch in die Kirche einzuführen; für jetzt muß die Wissenschaft in heilsamer Trennung von der Kirche ruhig ihren Gang fortgehen. Ist die Zeit da, wo ein neues Princip sich Bahn brechen soll, dann wird es unwiderstehlich, Alles durchdringend gleich der Atmosphäre, in der wir leben, sich durch die Gesellschaft verbreiten.” Viel Treffliches ist in diesem Abschnitt bün- [1474] dig dargelegt, und wenn es auch dem Manne vom Fach nicht eben neu erscheint, so hat es um so größern Werth für das größere Publicum, vor dessen Forum die Broschüre gehört. Der zweite Punkt, welchem der Verfasser seine Aufmerksamkeit zuwendet, betrifft den “Austritt aus der Kirche”, der bekanntlich in den “Deutschen Jahrbüchern” angedeutet und aufs schnellste von Freund und Feind ausgebeutet wurde. In diesem Abschnitte leidet die Darstellung an manchen Schwankungen, und der Verfasser sieht darin zu sehr eine “rein praktische Frage”, als wäre sie dies mehr wie die erste. Seine Gründe dagegen tragen wenigstens sehr den Schein von weltlichen Rücksichten, wenn er jenen Austritt z. B. deswegen verdammt, weil dadurch “das Vertrauen zerstört würde; denn jene Denkweise, die in einer Wissenschaft, die nicht ihres Glaubens ist, nicht blos den Irrthum, sondern auch den Frevler sieht; jener Fanatismus, der sich nicht begnügt, mit Gründen der Wissenschaft seine Gegner zu bekämpfen, sondern vor allen Dingen das Heiligthum ihrer Person angreift, um es schonungslos in den Staub zu treten: er ist nur die letzte Consequenz jener in dem Geiste der Zeit eingetretenen Reaction, er hat nur das Unrecht, ganz und vollkommen Das zu sein, was die gewöhnliche Denkweise blos halb ist, und darum hat er denn auch in der letztern Zeit immer mehr um sich gegriffen.” Man muß doch gestehen, daß solche Leute nicht geschont zu werden brauchten, und daß man vergeblich hofft, ihr “Vertrauen nicht zu zerstören”, daß also gegen den Austritt aus der Kirche grade solche Gründe nicht vorgebracht werden sollten. Doch der Verfasser läßt es auch dabei nicht bewenden, sondern bringt noch andere, triftigere Gründe bei, auf die in der zeitgemäßen Schrift selbst verwiesen werden kann.
[1606]
Nr. 137. Beilage. 17. Mai 1842.
Preußen.
° Berlin, 12. Mai. Daß Königsberg immer mehr verdient, den Blick von ganz Deutschland auf sich zu ziehen, weil es als gewissenhafter Grenzwächter alle Sorgfalt darauf verwendet, uns vor dem Slawismus der Unterthänigkeit und Servilität zu bewahren; das wird durch die wachsende Theilnahme, die sich von allen Seiten her ausspricht, von Tag zu Tag offener anerkannt. Neuerdings ist aber von dort her eine Schrift ausgegangen, die, möge man auch über ihren Inhalt denken was man wolle, ganz in dem Sinne ein “Ereigniß” genannt werden muß, in welchen man diesem Worte eine prägnante Bedeutung beizulegen angefangen hat. Es sind dies die “Glossen und Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit. Vier öffentliche Vorlesungen, gehalten zu Königsberg von Ludwig Walesrode. Königsberg 1842.” Nicht sowol darum hat diese Schrift eine für die Gegenwart außerordentliche Wichtigkeit, weil die männliche Freimüthigkeit des Verfassers darin für uns Leser an den Tag gekommen ist, sondern weil mehr als 400 Personen in der zweiten Residenz des Landes an dem Ausdrucke der darin niedergelegten Gesinnung gleichsam mitgearbeitet haben. Der Verfasser erklärt sich hierüber in dem “Vorwort für den edlen Unbekannten, der es lesen sollte”, wie folgt: “Unser Büchlein ist entstanden aus öffentlichen Vorlesungen. Als Thatsache, nicht in kritischer Beziehung, darf der Verfasser diese selbst ein Phänomen nennen, das den öffentlichen Geist Königsbergs charakterisirt. Die Vorlesungen, bei welchen über 400 Zuhörer, Damen und Herren, aus allen Ständen anwesend waren, nahmen förmlich die Gestalt eines Meeting an, mit seiner dramatischen Bezüglichkeit zwischen Redner und Publicum. Jede Aeußerung, welche mit dem Bestreben des Fortschrittes sympathisirte, jedes Stichwort der Zeit wurde mit lauter Acclamation und mit Händeklatschen begrüßt. Eine Erscheinung, deren der Verfasser nicht erwähnen würde, wenn er sich schmeicheln dürfte, daß der Beifall mehr ihm, als den Ideen überhaupt gegolten, die unsere Zeit bewegen. Sein einziges bescheidenes Verdienst dürfte sein, daß er öffentlich, vor Hunderten von Zeugen, Dinge besprochen, über die man sonst nur in seinen vier Pfählen zu discutiren pflegte. Aber auch dieses Verdienst wird dem Redner dadurch geschmälert, daß er sein Publikum kannte.” Diese Vorlesungen erscheinen nun abgedruckt, wie sie gehalten worden sind, und geben so dem Verfasser Gelegenheit, Folgendes über die königsberger Censur zu sagen, nachdem er zuvor gegen die Censur überhaupt seinen Unmuth ausgelassen hatte: “Ich habe wahrlich nicht Ursache, mit meinem Censor unzufrieden zu sein, wenn ich’s nicht mit Censoren überhaupt wäre. In Königsberg ist das freie Wort schon Scheidemünze des geistigen Verkehrs geworden, und kein Censor ist dort im Stande, diese außer Curs zu setzen, noch möchte ers. Wir haben in Königsberg Censoren, die das gehässigste aller Aemter mit schmerzlicher Aufopferung übernommen haben, um es nicht in die Hände Solcher übergehen zu lassen, die es mit Freuden übernehmen möchten. Königsberg ist, dem Osten gegenüber, nicht blos eine statistisch-geographische, sondern auch eine geistige Grenzstadt. Die Idee hat hier schon lange, bevor noch von einer Fortification am Pregel die Rede gewesen, ihre Montalembert’schen Thürme gegen die andringenden Asiaten erbaut, und die Censoren haben, wo sie es nur thun durften, und oft auch, wo sie es nicht durften, den Arbeiten an den detachirten Forts der Intelligenz nichts in den Weg gelegt. Doch wir wollen mit unserm Panegyrikus auf die königsberger Censoren warten, bis die deutsche Censur einst eines seligen Todes verblichen sein wird. In einer Leichenrede nimmt sich dergleichen schöner aus.” Vier Vorlesungen bilden den Inhalt des Buches. In der ersten: “Die Masken des Lebens. Eine Aschermittwochsphantasie”, heißt es S. 19: “Historiker, die nicht die Contrerevolution, sondern das Contraire der Revolution wollen, versichern, daß das mittelalterliche Costume nicht blos poetisch ehrwürdig, sondern auch eine Garantie sei für die geistige Ruhe der Welt. Sie haben nicht Unrecht! ... Der Hofredacteur hat nicht blos die Programme aller Hofmaskeraden und die Bulletins der Hofküche zu schreiben und zur erbaulichen Lecture für das ganze römische Reich drucken zu lassen, es liegt ihm auch ob, bei jedem öffentlichen Hofschauspiele aus den Wolken glückliche Auspicien herauszudeuten und die officiellen Himmelserscheinungen in dem amtlichen Theile seiner Zeitung mitzutheilen. Er ist der einzige Mensch im heiligen römischen Reiche, dem es der Himmel unter allen Umständen recht machen muß. Regnet es z. B. während des Triumphzugs eines Kaisers, dann schreibt der Hofredacteur: “Der Himmel selbst weinte seine Freudenthränen auf die glückliche Erde hinab.” Scheint die Sonne, dann “lächelt der Himmel blau und golden und weiß sich vor lauter Freuden nicht zu fassen.” Blitzt und donnert es, so bedeutet das eine Freudensalve von Seiten der himmlischen Artillerie; schneit es, dann streut der Himmel selbst seine lilienweißen Blumen auf den Triumphator hinab; kurz, der arme Himmel muß, auf Befehl des kaiserlichen Hofzeitungsschreibers, bei jedem großen Maskenzuge, wie ein gemietheter Lohnlakai, seine devoten Honneurs machen. Der vortrefflichste Himmel jedoch für die galant feine Symbolik der kaiserlichen Hofzeitungen ist ein solcher, der erst stark umwölkt erscheint – es dürfen sogar einige Regentropfen fallen – und aus dem plötzlich, in einem gewissen unbeschreiblichen Momente, die heitere Sonne, das Gewölk zertheilend, hervortritt.” Aus der zweiten Vorlesung: “Unser goldenes Zeitalter”, sind besonders die “Grundzüge aus der Naturgeschichte der Reichen” gelungen. Der dritten Vorlesung: “Literarisches Donquixotes-Turnier”, mag Folgendes entnommen werden: “Die deutsche Sprache ist frei und republikanisch geboren; sie erklimmt die höchsten Alphörner und Gletscher der Dichtkunst und des Gedankens, um mit dem Adler sich zur Sonne zu schwingen. Aber sie gibt sich auch, wie die Schweizer, zur Leibgarde des Despotismus her. Was der König von Hannover seinem Volk im schlechtesten Deutsch gesagt hat, das hätte er im besten Englisch nicht ausdrücken können. Kurz, unsere Sprache ist, wie die Morrison’schen Pillen, zu Allem gut und brauchbar; nur Etwas fehlt ihr, was ihr sehr Noth thut – der politische Styl! Freilich, in Zeiten der höchsten Gefahr, wenn sich der kölner Dom im Rheine spiegelt, was er nur unter sehr bedenklichen Umständen zu thun pflegt, dann nimmt sie, mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung, eine Art politischen Schwung an; dann wird jedes Kartoffelfeld ein “Gau” genannt und ehrliche Kleinstädter werden zu “Mannen” promovirt, und jede Nätherin verwandelt sich plötzlich über Nacht in eine deutsche “Maid”. Aber das ist nur der politische Defensivstyl, der gewöhnlich zugleich mit dem Landsturm aufgeboten wird; zur Offensive hat’s unsere Sprache noch nicht gebracht. Wenn der Deutsche sich sein einfachstes politisches Recht, das ihm auf Stempelbogen so gesetzlich verbrieft ist, wie seine Frau durch den Heirathscontract, in Anspruch nehmen will, dann verclausulirt er seine Foderung mit so [1607] vielen Curialschnörkeln, Hochachtungsepisoden, Respectstrichen und so vielen Versicherungen nicht zu ersterbender Liebe und Treue, daß man das Ganze eher für den ceremoniösen Liebesbrief eines Schneidergesellen als für eine gerechte Foderung halten dürfte. Denn der Deutsche hat nicht Courage genug – Recht zu haben, und darum bittet er tausend Mal um Verzeihung, wenn er’s gewagt haben sollte zu glauben, zu meinen, zu vermuthen oder auch nur zu ahnen, daß er bei einem hohen Kunden noch eine politische Foderung ausstehen hätte. Erinnern z. B. nicht die meisten Bittschriften um Preßfreiheit ganz und gar an den vollständig in der Theatergarderobe costumirten Marquis Posa, der sich dem König Philipp zu Füßen wirft mit den Worten: “Sire! geben Sie Gedankenfreiheit!” Kann man sich denn noch wundern, wenn solche Suppliken ebenfalls mit König Philipp’s Worten: “Sonderbarer Schwärmer!” abgethan und ad acta gelegt werden? Die wenigen Deutschen, die den Muth hatten, als die Advocaten ihres Vaterlandes dessen politische Rechte in klarer und bündiger Sprache, wie es Männern geziemt, darzulegen, haben es lediglich dieser Feigheit unsers politischen Styles zu danken, daß sie der Staatsinquisition als Opfer in die Hände gefallen sind. Denn, wo die Feigheit Norm ist, da ist der Muth Verbrechen! Ein politischer Schriftsteller unserer Zeit könnte sehr leicht wegen bloßer Stylsünden, dafür, daß er seine Worte und Gedanken in nackter Wahrheit, nicht mit dem vom Ceremonienmeister vorgeschriebenen Costume bekleidet erscheinen läßt, etwas gelinde von unten nach oben gerädert werden, und das von Rechts wegen. So eunuchenhaft feige der deutsche Styl indeß ist, wenn er politische Rechte geltend zu machen hat, so plump schlägt er auch wieder den großmächtigsten Gewalten das Weihrauchfaß um die Ohren. Wenn irgendwo ein Fürst sagt: “Ich will Recht und Gerechtigkeit üben!” gleich stürzen ganze Schwärme von Zeitungsphrasen wie wilde Bienen über die Fleckchen Honig her und summen vor Wonne über den köstlichen Fund auf der öden politischen Heide. Gibt’s aber wol etwas Beleidigenderes für einen Fürsten, als wenn der blos ausgesprochene Wille zur Ausübung der ersten Regentenpflicht, ohne welche man seinen Namen zu einem Nero und Busiris werfen müßte, als eine außerordentliche, unerhörte Fürstentugend durch alle Zeitungen ausposaunt wird? Und das geschieht in Staatszeitungen, unter den Augen der Censoren, unter den Auspicien des Bundestages! Müßte nicht auf einen solchen ungeschickten Lobredner der §. 92 des Criminalrechts in seiner ganzen Strenge angewendet werden?” Die vierte Vorlesung: “Variationen über beliebte Zeit- und Nationalmelodien”, lassen wir ungeplündert. Die wenigen Mittheilungen reichen hin, dem übrigen Deutschland zu zeigen, wo es seine Sympathien zu suchen hat.
[1637]
Nr. 140. 20. Mai 1842.
Preußen.
° Berlin, 17. Mai. Der König hat dem Justizminister seine Absicht zu erkennen gegeben, von einem näher zu bestimmenden Zeitpunkt an den unbesoldeten Assessoren Gehalte und den Referendaren Remunerationen zukommen zu lassen. Gewiß lag eine Unbilligkeit darin, Dienste, welche der Staat nicht entbehren konnte, unbezahlt anzunehmen und Referendare und Assessoren darin den Lieutenants nachzusetzen. – Die Königsberger Zeitung wird von dem bei einer dortigen Stadtschule angestellten Oberlehrer Witt, wenn auch nicht nominell, so doch thatsächlich redigirt. Schon früher wurde von hier aus darauf gedrungen, den Oberlehrer Witt deshalb seines Lehramts, als mit jener Beschäftigung unvereinbar, zu entheben, ohne daß diese Auffoderung jedoch einen Erfolg gehabt hätte. Nun ist er aufs neue vor das Consistorium gefodert worden, wo er durch Atteste zu beweisen vermochte, daß seine Amtsthätigkeit durch die Redactionsgeschäfte nicht den mindesten Eintrag erleide. Man macht ihm besonders auch den Umstand zum Vorwurfe, daß er im vorigen Jahre bei einer gewissen Gelegenheit zwei anonyme, vom Professor Lengerke verfaßte Gedichte in der Druckerei der Königsberger Zeitung hatte drucken lassen, und hat auch in dem an das dortige Consistorium gerichteten Schreiben ausdrücklich bemerkt, dass Professor Lengerke eigentlich eine sehr gründliche Bestrafung verdient hätte, die indessen diesmal noch erlassen werden solle. Der Oberlehrer Witt wird einer Entfernung “im Administrationswege” schwerlich entgehen!
[1647]
Nr. 141. 21. Mai 1842.
Preußen.
° Berlin, 18. Mai. Obwol Hr. v. Savigny von dem Augenblick an, da der verstorbene Gans zum ordentlichen Professor ernannt wurde, aus der juristischen Facultät schied und nur noch seine Vorlesungen fortsetzte, so blieb er doch das berühmte und angesehene Haupt der Facultät, die sich der von ihm gegebenen Richtung nicht zu entschlagen vermochte. Jetzt ist Hr. v. Savigny durch die Berufung zum Minister der Facultät fremd geworden, und dadurch für diese der Zeitpunkt erschienen, wo sie sich fragen muß, ob im alten Gleise fortzufahren oder dem vielfach gemachten Vorwurf, daß juristische Theorie und Praxis in heilloser Trennung gehalten würden und daß die “Mitglieder und echten Zöglinge der Rechtsfacultät als Gespenster aus einer vergangenen Zeit erscheinen, die, wenn sie in das Leben einzugreifen suchen, nur zerstörend wirken können und Schrecken verbreiten”, nun Gehör zu geben sei. Diesen Moment eines wichtigen Lebensabschnittes, einer Epoche in der berliner Rechtsfacultät ergreift der Verfasser einer soeben hier erschienenen Flugschrift: “Die juristische Facultät der Universität zu Berlin, seit der Berufung des Hrn. v. Savigny bis zur Niederlegung seines akademischen Amtes und deren erforderliche Umgestaltung”, um nicht nur die Wurzel des alten Uebels aufzudecken, sondern auch zu deren Ausrottung Hand anzulegen. Hr. v. Savigny wurde im Jahre 1810, also bei Gründung der hiesigen Universität, hierher berufen, und von da an bildete und ergänzte sich die Facultät fast nur aus seiner Schule, der historischen. Die Geschichte die- [1648] ser Schule und ihres Hauptes hängt daher aufs genaueste mit der Geschichte der juristischen Facultät zusammen. Als die historische Schule ihren Kampf gegen die aprioristisch-philosophischen Juristen begann, hatte sie einen leicht besiegbaren Gegner und stieg unter den der Romantik zuströmenden Zeitgenossen schnell im Ansehen. Denn sie und ihr Haupt sind nichts Anderes als Gestalten unserer romantischen Periode, die jetzt welkend am Boden einer frisch aufkeimenden Gegenwart liegen und wunderlich genug mit ihrer falben Krankheitsfarbe gegen das frische Grün eines neuen Lebens abstechen. In der Vergangenheit sollte alles Heil gesucht werden, Sprache, Kunst und Religion sollten in altdeutscher Tracht wiederkommen, und neben den Nibelungen die Pandekten eine ewige Wahrheit sein. Diese romantische Rechtswissenschaft fing leise und unbewußt zu beben an, als im Jahre 1818 Hegel nach Berlin kam und durch seine Vorträge über Naturrecht neue und gewaltige Erweckung gab. Aber der “Gegner war noch nicht in die juristische Facultät selbst gedrungen. Dies geschah durch die Anstellung des Dr. Gans, eines Schülers von Thibaut und Hegel, als außerordentlicher Professor im Jahre 1826. Ihm verdankt die jetzt aufblühende preußische Rechtswissenschaft die erste Anregung.” Die Philosophie hatte in dieser Weise der Rechtswissenschaft gegen die einseitige Rechtsschule der sogenannten Historiker oder, wie Gans sie genauer bezeichnete, der “Nichtphilosophischen”, Hülfe geleistet. Mittlerweile war aber auch jene Rechtsschule in sich selbst in mehre Theile zerfallen, in dem die “Germanisten und Canonisten ihre eignen Rechtsquellen, die germanische Rechtssitte einerseits und das canonische Recht andererseits so lieb gewannen, daß sie gleich einseitig wie die Romanisten, welche das reine römische Recht herstellen wollten, nur auf die Wiederbelebung des germanischen und canonischen Rechts dachten. Den Ausbruch eines wirklichen Kampfes hat Hr. v. Savigny dadurch zu beseitigen versucht, daß er in der Vorrede zu dem im Jahr 1840 herausgegebenen ersten Bande seines Systems des heutigen römischen Rechts sich gegen die Einseitigkeit erklärt hat, welche das römische Recht mit besonderer Vorliebe behandele, ohne die Modificationen zu beachten, welche dasselbe durch das canonische Recht und die germanische Rechtssitte im Mittelalter erlitten habe. Um auch den Beinamen der unphilosophischen Schule abzustreifen, hat er den Professor Stahl unter seinen Schutz genommen und dessen neuerliche Berufung durch den Antrag seiner Anhänger bei der juristischen Facultät begünstigt. Beide Maßnahmen aber waren weder geeignet noch im Stande, den hereinbrechenden Sturm zu beschwören. Denn die allgemeine Meinung spricht sich dahin aus, daß die in dem gedachten Vorworte kund gegebenen Ansichten ihre Bestätigung in dem Buche selbst nicht finden, daß daher kein Friede zwischen den mit der Gegenwart befreundeten Germanisten und den alterthümelnden Romanisten begründet ist. Und was die Philosophie des Prof. Stahl betrifft, so wird dieselbe weder von den Philosophen noch von den philosophisch gebildeten Juristen als wahre Philosophie anerkannt. Sie schließt sich den allgemeinen Grundsätzen der historischen Schule an, hüllt sich aber außerdem in ein mystisch-religiöses Gewand und verfolgt hierarchische und reactionaire Zwecke unter dem Vorgeben, die Revolution bekämpfen zu wollen.” Zu diesen theoretischen Kämpfen kommt aber neuerdings ein derberer Anstoß hinzu, indem die Praxis des preußischen Rechts an der Philosophie eine Vermittlerin fand, um sich selbst zu einer Wissenschaft zu erheben. “Die Wissenschaft des preußischen Rechts ist in kurzer Zeit kräftig herangewachsen und führt das Heer der jüngern Praktiker. So ausgestattet klopft sie an die ihr bis dahin verschlossen gewesene Pforte der juristischen Facultät und begehrt Einlaß. Wird man dieser gerechten Foderung widerstehen können? Es steht zu erwarten, daß der jetzige Minister des Unterrichts die Gerechtigkeit dieser Foderung anerkennen wird, da er als ausgezeichneter preußischer Jurist die Nothwendigkeit einer Umbildung der juristischen Facultät im vaterländischen Geiste nicht verkennen kann. Daß wir uns hierin nicht täuschen, dafür bürgt uns die kürzlich erfolgte Ernennung des philosophisch gebildeten preußischen Praktikers Dr. Heydemann zum außerordentlichen Professor.” Der Verfasser der genannten Broschüre verlangt daher, damit Rechtswissenschaft und juristisches Leben nach langer Spaltung wieder mit einander versöhnt werden, eine Befriedigung des längst gefühlten Bedürfnisses nach Umgestaltung der Facultät, und gibt zugleich die Umrisse der gefoderten Reformation. Er will, daß das gemeine Recht zwar fortdauernd gelehrt werde, aber nicht “als gemeines deutsches Recht, d. h. als Hülfsrecht für alle zum vormaligen deutschen Reiche gehörigen Länder, sondern als historische Grundlage der besondern Gesetzgebungen der einzelnen deutschen Staaten”; er fodert also eine philosophische Auffassung und eine geschichtliche Entwickelung bis zur Entstehung der besondern Gesetzgebungen. Für das preußische Recht muß weit mehr gethan werden. Es genügt nicht mehr, wie bisher, an Einer Vorlesung über dasselbe, vielmehr “werden mannichfache Vorträge über dasselbe erforderlich sein, die es in historischer, systematischer und exegetischer Weise behandeln.” Wo aber die tauglichen Lehrer hernehmen für eine solche Behandlungsweise der Rechtswissenschaft, wie der Zeitgeist sie nothwendig macht? Der Verfasser erwidert hierauf: “Man lege nur den Obergerichtsassessoren unter gewissen, zur Bekundung ihrer Lehrfähigkeit dienenden Bedingungen das Recht zum öffentlichen Lehren bei, und es wird sich theils aus diesen, theils auch aus höhern Beamten bald eine große Anzahl tüchtiger Lehrer hervorthun, die frisches Leben in die Rechtswissenschaft bringen. Erhält die medicinische Facultät doch auch ihre tüchtigsten Mitglieder aus den Reihen der praktischen Aerzte, und würde nicht auch sie ohne diese Ergänzung bald aufhören, brauchbare Praktiker zu bilden?” Freilich müßten hiernach auch die Anfoderungen eingerichtet werden, und während jetzt die juristische Doctorwürde den Praktiker nur vom ersten praktischen Examen befreit, die große Staatsprüfung dagegen dem Assessor nicht einmal das Recht, sich als Privatdocent zu habilitiren, verschafft, müßte dann “an die Stelle der ersten juristischen Staatsprüfung die Doctorpromotion treten, wodurch die Vorbildung der praktischen Juristen wissenschaftlicher ausfallen würde, und zur Habilitirung müßte die große Staatsprüfung gefodert werden, was den Docenten geeigneter machte, den jungen Juristen eine zweckmäßige Vorbildung für das praktische Leben angedeihen zu lassen.” Das würde den vom Hrn. v. Savigny ausgesprochenen Satz: “Was insbesondere die Vorlesungen über das Landrecht betrifft, so glaube ich allerdings, daß diese in der gegenwärtigen Lage besser nicht gehalten werden, indem zum praktischen Bedürfnisse die spätere Einübung hinreicht, eine wissenschaftliche Seite aber dem Gegenstand abzugewinnen aus Mangel an speciellen geschichtlichen Quellen schwer sein dürfte”, zu nichte machen. Der Verfasser schlägt zum Zweck einer solchen Umgestaltung folgende Vertheilung der Professuren vor: 1) für die römische Rechtsgeschichte, 2) für die deutsche Rechtsgeschichte, 3) für das preußische Landrecht, 4) für das preußische Criminalrecht, 5) für das preußische Kirchenrecht, 6) für das preußische Staatsrecht. Dies sind einige Züge aus der sehr gediegenen Broschüre, die grade jetzt sehr zeitgemäß erschienen ist und nicht verfehlen wird, das angeregte Thema zu weiterer Besprechung zu führen.
[1744]
Nr. 149. 29. Mai 1842.
Preußen.
° Berlin, 26. Mai. Weil denn doch einmal von allen Seiten zum Sturm geblasen wird und die Jerichomauern des Verrotteten vor den Posaunenstössen des Neuen zusammenfallen sollen, so wollen wir es auch nicht absichtlich übersehen, daß grade in den obersten Regionen der Weltgerichtsorkan am heftigsten wüthet. In England, in Frankreich spitzt sich die anfängliche Corpulenz der Fragen immer mehr zu, bis sie endlich durch das enge Himmelspförtlein ins Reich des Uebersinnlichen, der Religion, schlüpfen und dort auf neuem Schlachtplane mit frischen Kräften wieder herüber und hinüber wogen; wie sollte es da in Deutschland, dem eigentlichen Wahlplatze religiöser und philosophischer Kämpfe, anders sein? Seit Strauß mit dem “Leben Jesu” den Fehdehandschuh hingeworfen hat, folgt rasch eine Herausfoderung auf die andere. Nächst Feuerbach zog besonders Bruno Bauer in der letztern Zeit die Aufmerksamkeit auf sich; seine Entfernung aus der theologischen Facultät gab ihm außer der wissenschaftlichen Wichtigkeit auch noch eine politische. Bruno Bauer hat recht eigentlich den Kampf gegen die Theologie auf sich genommen, und so muß man nothwendig an ihn erinnert werden, wenn man in das...