Zgryźliwość kojarzy mi się z radością, która źle skończyła.

Beiblatt zu Nro 100 der Rheinischen Zeitung. Köln Sonntag den 10. April 1842. p. 2.

Das unwahre Prinzip unserer Erziehung

oder

der Humanismus und Realismus.

 

Weil unsere Zeit nach dem Worte ringet, womit sie ihren Geist ausspreche, so treten viele Namen in den Vordergrund und machen alle Anspruch darauf, der rechte Name zu sein. Auf allen Seiten zeigt unsere Ge­genwart das bunteste Parteiengewühl, und um den ver­wesenden Nachlaß der Vergangenheit sammeln sich die Adler des Augenblicks. Es gibt aber der politischen, socialen, kirchlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, moralischen und anderer Leichname überall eine große Fülle, und ehe sie nicht alle verzehrt sind, wird die Luft nicht rein und der Athem der lebenden Wesen bleibt be­klommen.

Ohne unser Zuthun bringt die Zeit das rechte Wort nicht zu Tage; wir müssen Alle daran mitarbeiten. Wenn aber auf uns dabei so viel ankommt, so fragen wir billig, was man aus uns gemacht hat und zu machen gedenkt; wir fragen nach der Erziehung, durch die man uns zu befähigen sucht, die Schöpfer jenes Wortes zu werden. Bildet man unsere Anlage, Schöpfer zu werden, gewis­senhaft aus, oder behandelt man uns nur als Geschöpfe, deren Natur blos eine Dressur zuläßt? Die Frage ist so wichtig, als es eine unserer socialen nur irgend sein kann, ja sie ist die wichtigste, weil jene auf dieser letzten Basis ruhen. Seid etwas Tüchtiges, so werdet ihr auch etwas Tüchtiges wirken; sei “Jeder vollendet in sich,” so wird eure Gemeinschaft, euer sociales Leben, auch vollendet sein. Darum kümmern wir uns vor Allem darum, was man aus uns macht in der Zeit unserer Bildsamkeit; die Schulfrage ist eine Lebensfrage. Das springt auch jetzt genugsam in die Augen, und seit Jahren wird auf diesem Felde mit einer Hitze und Offenheit gefochten, die jene auf dem Gebiete der Politik darum weit übertrifft, weil sie nicht auf die Hemmnisse eigenmächtiger Gewalt stößt. Ein ehrwürdiger Veteran, der Professor Theodor Heinsius, der wie der verstorbene Professor Krug sich Kraft und Strebsamkeit bis in sein hohes Alter bewahrt hat, sucht neuerdings wieder durch eine kleine Schrift das Interesse für diese Sache anzufachen. Er nennt sie ein “Konkordat zwischen Schule und Leben oder Ver­mittlung des Humanismus und Realismus, aus nationa­lem Standpunkte betrachtet. Berlin 1842”. Zwei Parteien kämpfen um den Sieg, und wollen jede ihr Erzie­hungsprinzip unserem Bedürfnisse als das beste und wahrhafte empfehlen: die Humanisten und Realisten. Ohne es mit den einen oder andern verderben zu wollen, redet Heinsius in dem Büchelchen mit jener Milde und Versöhnlichkeit, die beiden ihr Recht widerfahren zu las­sen meint und dabei der Sache selbst das größte Unrecht thut, weil dieser nur mit schneidender Entschiedenheit gedient ist. Es bleibt nun einmal diese Sünde wider den Geist der Sache das unablösbare Erbtheil aller weich­müthigen Vermittler. “Konkor­date” bieten nur ein feiges Auskunftsmittel:

 

Nur offen wie ein Mann: Für oder Wider!

            Und die Parole: Sklave oder frei!

Selbst Götter stiegen vom Olympe nieder,

            Und kämpften auf der Zinne der Partei.

 

Heinsius entwirft, ehe er an seine eigenen Vor­schläge kommt, eine kurze Skizze des historischen Ver­laufes von der Reformation an. Die Periode zwischen der Reformation und Revolution ist – was ich hier ohne Be­gründung nur behaupten will, weil ich es bei einer andern Gelegenheit ausführlicher darzustellen gedenke – die des Verhältnisses zwischen Mündigen und Unmündigen, zwi­schen Herrschenden und Dienenden, Gewaltigen und Machtlosen, kurz die Unterthänigkeitsperiode. Abgese­hen von jedem andern Grunde, der zu einer Ueberle­gen­heit berechtigen mochte, hob die Bildung, als eine Macht, Den, der sie besaß, über den Ohnmächtigen, der ihrer entbehrte, empor, und der Gebildete galt in seinem Kreise, so groß oder klein derselbe war, als der Mäch­tige, der Gewaltige, der Imponirende: denn er war eine Autorität. Nicht Alle konnten zu dieser Herrschaft und Autorität berufen sein; darum war auch die Bildung nicht für Alle und eine allgemeine Bildung widersprach jenem Prinzipe. Die Bildung verschafft Ueberlegenheit und macht zum Herrn: so war sie in jenem Herrn-Zeitalter Mittel zur Herrschaft. Allein die Revolution durchbrach die Herrn- und Diener-Wirthschaft, und der Grundsatz trat in’s Leben: Jeder sei sein eigener Herr. Damit war die nothwendige Folge verknüpft, daß die Bildung, die ja zum Herrn macht, forthin eine universelle werden mußte, und die Aufgabe stellte sich von selbst ein, nun­mehr die wahrhaft universelle Bildung zu finden. Der Drang nach universeller, Allen zugänglicher Bildung mußte zum Kampfe gegen die hartnäckig behauptete ex­klusive anrücken, und die Revolution mußte auch auf diesem Felde gegen das Herrentum der Reformationspe­riode das Schwert zücken. Der Gedanke der allgemei­nen Bildung stieß zusammen mit der ausschließlichen, und durch manche Phasen und unter allerhand Namen zog sich Krieg und Schlacht bis in den heutigen Tag her­ein. Für die Gegensätze, die in feindlichen Lagern einan­der gegenüber stehen, wählt Heinsius die Namen Huma­nismus und Realismus, und wir wollen sie, so wenig zu­treffend sie auch sind, doch als die gewöhnlichsten bei­behalten.

Bis im 18. Jahrhundert die Aufklärung ihr Licht zu verbreiten anfing, lag die sogenannte höhere Bildung ohne Einspruch in den Händen der Humanisten und be­ruhte fast allein auf dem Verständniß der alten Klassiker. Daneben ging eine andere Bildung einher, welche ihr Muster gleichfalls im Alterthum suchte und der Hauptsa­che nach auf eine erkleckliche Kenntniß der Bibel hin­auskam. Daß man in beiden Fällen die beste Bildung der antiken Welt zu seinem einzigen Stoff ausersah, beweist genugsam, wie wenig das eigene Leben noch etwas Würdiges darbot, und wie weit wir noch davon entfernt waren, aus eigener Originalität die Formen der Schön­heit, aus eigener Vernunft den Inhalt der Wahrheit er­schaffen zu können. Wir hatten Form und Inhalt erst zu lernen, wir waren Lehrlinge. Und wie die antike Welt durch Klassiker und Bibel als Herrin über uns gebot, so war – was sich historisch beweisen läßt – das Herr- und Diener-Sein überhaupt das Wesen unseres gesammten Treibens, und lediglich aus dieser Natur des Zeitalters erklärt es sich, warum man so unbefangen nach einer “höheren Bildung” trachtete und vor dem gemeinen Volke sich durch sie auszuzeichnen beflissen war. Mit der Bildung wurde ihr Besitzer ein Herr der Ungebilde­ten. Eine volksthümliche Bildung würde dem entgegen gewesen sein, weil das Volk den gelehrten Herrn gegen­über im Laienstande verharren und die fremde Herrlich­keit nur anstaunen und verehren sollte. So setzte sich der Romanismus in der Gelehrsamkeit fort, und seine Stüt­zen sind Latein und Griechisch. Ferner konnte es nicht fehlen, daß diese Bildung durchgehends eine formelle blieb, sowohl deshalb, weil von dem verstorbenen und längst begrabenen Alterthum ja nur die Formen, gleich­sam die Schemen der Literatur und Kunst, sich zu er­halten im Stande waren, als besonders deshalb, weil Herrschaft über Menschen gerade durch formelles Ue­bergewicht erworben und behauptet wird: es bedarf nur eines gewissen Grades von geistiger Gewandtheit zur Ueberlegenheit über die Ungewandten. Die sogenannte höhere Bildung war daher eine elegante Bildung, ein sensus omnis elegantiae, eine Bildung des Geschmacks und Formensinns, die zuletzt gänzlich zu einer grammati­schen herabzusinken drohte, und die deutsche Sprache selbst so sehr mit dem Geruche Latium’s parfümirte, daß man heute noch z. B. in der so eben erschienenen “Ge­schichte des brandenburgisch-preußischen Staates. Ein Buch für Jedermann. Von Zimmermann” die schön­sten lateinischen Satzbildungen zu bewundern Gelegen­heit hat. (Forts. folgt.)

 

Beiblatt zu Nro 102 der Rheinischen Zeitung. Köln Sonntag den 12. April 1842. p. 2.

Das unwahre Prinzip unserer Erziehung

oder

der Humanismus und Realismus

Indessen richtete sich allgemach aus der Aufklä­rung ein Geist des Widerspruchs gegen diesen Formalis­mus auf, und zu der Anerkennung unverlierbarer und all­gemeiner Menschenrechte gesellte sich die Forderung ei­ner Alle umfassenden, einer menschlichen Bildung. Der Mangel einer reellen und in das Leben eingreifenden Be­lehrung war an der bisherigen Verfahrungsweise der Humanisten einleuchtend und erzeugte die Forderung ei­ner praktischen Ausbildung. Fortan sollte alles Wissen Leben, das Wissen gelebt werden; denn erst die Realität des Wissens ist seine Vollendung. Gelang es, den Stoff des Lebens in die Schule einzuführen, durch ihn etwas Allen Brauchbares zu bieten, und eben darum Alle für diese Vorbereitung aufs Leben zu gewinnen und der Schule zuzuwenden, so beneidete man die gelehrten Herren nicht mehr um ihr absonderliches Wissen, und das Volk beendete seinen Laienstand. Den Priesterstand der Gelehrten und den Laienstand des Volkes aufzuhe­ben, ist das Streben des Realismus, und darum muß er den Humanismus überflügeln. Aneignung der klassischen Formen des Alterthums begann zurückgedrängt zu wer­den, und mit ihr verlor die Autoritäts-Herrschaft ihren Nimbus. Die Zeit sträubte sich gegen den altherge­brachten Respekt vor der Gelehrsamkeit, wie sie denn überhaupt gegen jeden Respekt sich auflehnt. Der we­sentliche Vorzug der Gelehrten, die allgemeine Bildung, sollte Allen zu Gute kommen. Was ist aber, fragte man, allgemeine Bildung anders, als die Befähigung, trivial ausgedrückt, “über alles mitreden zu können” ernster ge­sprochen, die Befähigung, jedes Stoffes Herr zu werden? Man sah, die Schule war hinter dem Leben zurückge­blieben, indem sie sich nicht nur dem Volke entzog, son­dern auch bei ihren Zöglingen über der exclusiven Bil­dung die universelle versäumte, und sie anzuhalten un­terließ, eine Menge Stoff, der uns vom Leben aufge­drungen wird, schon auf der Schule zu bemeistern. Hat ja doch die Schule, dachte man, die Grundlinien unserer Versöhnung mit Allem, was das Leben darbietet, zu zie­hen und dafür zu sorgen, daß keiner der Gegenstände, mit welcher wir uns dereinst befassen müssen, uns völlig fremd und außer dem Bereich unserer Bewältigung sei. Daher wurde aufs eifrigste Vertrautheit mit den Dingen und Verhältnissen der Gegenwart gesucht und eine Päd­agogik in Aufnahme gebracht, welche auf Alle Anwen­dung finden mußte, weil sie das Allen gemeinsame Be­dürfniß, sich in ihre Welt und Zeit zu finden, befriedigte. Die Grundsätze der Menschenrechte gewannen in dieser Weise auf dem pädagogischen Gebiete Leben und Rea­lität: die Gleichheit, weil jene Bildung Alle umfaßte, und die Freiheit, da man in dem, was man brauchte, bewan­dert, mithin unabhängig und selbstständig wurde.

Indeß das Vergangene zu fassen, wie der Huma­nismus lehrt, und das Gegenwärtige zu ergreifen, worauf es der Realismus absieht, führt beides nur zur Macht über das Zeitliche. Ewig ist nur der Geist, welcher sich erfaßt. Deshalb empfingen Gleichheit und Freiheit auch nur ein untergeordnetes Dasein. Man konnte wohl An­dern gleich, und von ihrer Autorität emancipirt werden; von der Gleichheit mit sich selbst, von der Ausgleichung und Versöhnung unseres zeitlichen und ewigen Men­schen, von der Verklärung unserer Natürlichkeit zur Geistigkeit, kurz von der Einheit und der Allmacht unse­res Ich’s, das sich selbst genügt, weil es außer ihm nichts Fremdes stehen läßt –: Davon ließ sich in jenem Princip kaum eine Ahnung erkennen. Und die Freiheit erschien wohl als Unabhängigkeit von Autoritäten, war aber noch leer an Selbstbestimmung und lieferte noch keine Thaten eines in sich freien Menschen, Selbstoffenbarungen eines rücksichtslosen d. h. eines aus dem Fluctuiren der Re­fle­xion erretteten Geistes. Der formell Gebildete sollte frei­lich nicht mehr über den Meeresspiegel der allgemei­nen Bildung hervorragen und verwandelte sich aus einem “höher Gebildeten” in einen “einseitig Gebildeten” (als welcher er natürlich seinen unbestrittenen Werth behält, da alle allgemeine Bildung bestimmt ist, in die verschie­densten Einseitigkeiten specieller Bildung auszustrahlen); allein der im Sinne des Realismus Gebildete war auch nicht über die Gleichheit mit Andern und die Freiheit von Andern, nicht über den sogenannten “praktischen Men­schen” hinausgekommen. Zwar konnte die leere Eleganz des Humanisten, des Dandy, der Niederlage nicht entge­hen; allein der Sieger gleißte vom Grünspane der Mate­rialität und war nichts Höheres, als ein geschmackloser Industrieller. Dandismus und Industrialismus streiten um die Beute lieblicher Knaben und Mädchen, und tau­schen oft verführerisch ihre Rüstungen, indem der Dandy im ungeschliffenen Cynismus und der Industrielle mit weißer Wäsche erscheint. Allerdings wird das lebendige Holz industrieller Streitkolben die trockenen Stecken dandistischer Entmarkung zerbrechen; lebendig aber oder todt, Holz bleibt Holz, und soll die Flamme des Geistes leuchten, so muß das Holz in Feuer aufgehen.

Warum muß inzwischen auch der Realismus, wenn er, wozu ihm doch die Fähigkeit nicht abzusprechen, das Gute des Humanismus in sich aufnimmt, gleichwohl zu Grunde gehen? Gewiß kann er das Unveräußerliche und Wahre des Humanismus, die formelle Bildung, in sich aufnehmen, was ihm mehr und mehr durch die möglich gewordene Wissenschaftlichkeit und vernünftige Be­handlung aller Lehrobjekte leicht gemacht wird (ich erin­nere nur beispielsweise an Beckers Leistungen für die deutsche Grammatik), und durch diese Veredlung seinen Gegner aus der festen Position verdrängen. Da der Rea­lismus so gut als der Humanismus davon ausgeht, daß es die Bestimmung aller Erziehung sei, dem Menschen Ge­wandtheit zu verschaffen, und Beide z. B. darin überein­kommen, daß man sprachlich an alle Wendungen des Ausdrucks gewöhnen, mathematisch die Wendungen der Beweise einschärfen müsse u. s. w., daß man also auf Meisterschaft in Handhabung des Stoffes, auf Bemeiste­rung desselben hinzuarbeiten habe: so wird es gewiß nicht ausbleiben, daß auch der Realismus endlich als letztes Ziel die Geschmacksbildung anerkenne und die formirende Thätigkeit obenan stelle, wie das schon jetzt zum Theil der Fall ist. Denn in der Erziehung hat ja doch aller gegebene Stoff nur darin seinen Werth, daß die Kinder lernen, etwas damit anzufangen, ihn zu ...

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